Tobia Bucher

Unerträglich schmerzende Ästhetik:
Wie eng das philosophische Gedankengut Tobia Bucher auf seinem Künstlerweg begleitet, zeigt die Praxis. Mit Akribie nähert er sich dokumentarisch seinen Sujets an. Serielles Denken nennt der Künstler den Prozess. Dieser umfasst ein eingehendes Studi-um der Dinge, mit dem Ziel, das Naheliegende auszusparen, um das Komplementäre in den Vordergrund zu rücken. So werden bei Buchers Arbeiten die Konturen eines Objekts oft nur angedeutet, das Licht-, Luft- und Schattenspiel aufs nötigste reduziert. Allein die Strahlkraft der mit grösster Wirkung gesetzten Farben hält die Ästhetik eines Gegenstands oder die Harmonie einer Landschaft zusammen. Zwar bleibt
ein Stuhl unter dem Pinsel von Bucher ein Stuhl. Und ein Weizenfeld ein Feld von Weizen. Bei näherem Hin-sehen jedoch beginnt sich selbst in den alltäglichsten Dingen für den Künstler eine Ästhetik abzuzeichnen, die ihn schmerzt. Oft gar unerträglich erscheint. Die Objektstudien sind reif für deren künstlerische Umsetzung.

Neu gedachte modernistische Kunst: Dann ist vor Tobia Bucher kein Material mehr sicher, kein Motiv mehr für ihn heilig. Es tritt der Modernist zutage, der wie ein Dirigent den Pinsel über die Leinwand streichen lässt, phal-lische Symbole in Beton giesst, mit Kohle
Sandpapier bemalt oder mit sicherem Strich Schuhwachs auf Wellkarton aufträgt. Daraus resultieren in ihrer Art äusserst heterogene Positionen, deren Kolorit stark an Arbeiten eines Andy Warhol, dann wieder an Werke von Joseph Beuys oder Bernd Becher erinnern. Stets jedoch tragen Buchers Artefakte die Handschrift jenes unermüdlichen Tüftlers, der zur Schaffung neu gedachter Kunstformen sich genauso ver-siert den Mitteln der Informatik bedient wie der verblüffenden Technik, leuchtend glänzende Betonskulpturen auszugiessen.

„Tobia Buchers Werke bilden Relikte, welche auf die Koexistenz von lokalem und internationalem, rustikalem und urbanem Kolorit hinweisen. Damit verkörpern sie, weit über die aktuellen Vereinfachungen des postmodernen Kulturgeschehens hinaus, eine dialogische Metapher der Eintracht, wie auch der Disharmonie“, schreibt Dr. Mark Staff Brandl in seiner Einleitung zum Ausstellungskatalog. Der Künstler bringe dadurch eine besondere Art von widersprüchlicher Übereinstimmung zum Ausdruck, welche auf jeden einzelnen Aspekt seiner Arbeiten einwirke, vom Material zum haptischen Ductus, bis hin zur Komposition. „Dies entspricht letztlich Tobia Buchers besonderem Talent“, so schliesst der in St. Gallen dozierende Kunsthistoriker, „seiner Kunst in philoso-phischer wie auch in ästhetischer Hinsicht eine ganz eigene Sprache zu verleihen.