Francesco Bonanno

Die Kuh schaut stoisch, egal auf welch unwegsames Gelände Francesco Bonanno sie treibt. Sie lässt sich auf allem nieder, was den St.Galler Künstler fasziniert und schreitet unbeirrt über Stickereien, Schieferplatten und Endlos-Computerpapier. Die Kuh ist Bonannos alter Ego. Vor 25 Jahren hat er sie mit einem befreundeten Grafiker als Logo für seine neu gegründete Galerie entworfen. Die Vorlage dazu fand er in einem alten Kochbuch, deshalb sind auf der Kuh – die auch ein Stier sein könnte – die verwertbaren Fleischteile gekennzeichnet. Die « Macelleria d’Arte » (Kunstmetzgerei) eröffnete der Künstler damals in einer ehemaligen St.Galler Metzgerei. Längst hat sich die Kuh verselbständigt und ist zur Signatur des Künstlers geworden. Seit rund zwanzig Jahren verwendet Bonanno einen Linolschnitt « seiner » Kuh und druckt sie mal alleine, mal als Herde auf unterschiedliche Materialien. Häufig sind es Fundstücke, Objets trouvés, deren Haptik oder Form den Künstler interessieren. Die ausrangierten Kulissenteile aus der Mulde des Theaters St. Gallen nutzt er ebenso als Trägermaterial wie leere Weinkisten oder grossformatiges Industrieschmirgelpapier.
Die Galerie ist kreatives Epizentrum
Francesco Bonanno ist Künstler und Galerist, zwei Rollen, die sich nicht voneinander trennen lassen und aufs Engste miteinander verknüpft sind. Seine Galerie ist nicht einfach ein Verkaufsort von Kunst, sondern Treffpunkt für Kunstinteressierte und kreatives Epizentrum. Bonanno organisiert dort Konzerte, Lesungen, Performances. Genauso gerne wie mit Künstlern arbeitet er mit lokalen Handwerkern und unkonventionellen Köpfen aus Wirtschaft, Design und Architektur zusammen. Nicht zuletzt dient Francesco Bonanno seine Galerie auch als Atelier. Werke befreundeter Künstler, eigene vollendete und unvollendete Arbeiten und Installationen aus allerhand Fundstücken vereinigen sich zu einem einzigartigen Mikrokosmos – dem Gegenteil eines White Cube.
Sand aus der sizilianischen Heimat
Ein wichtiges Material für Francesco Bonanno ist Sand – schwarzer Lavasand, wie man ihn rund um den Ätna findet. Dort befindet sich das Dorf, wo der 1956 geborene Künstler einen Teil seiner Kindheit verbracht hat. Aber auch Silizium- und Quarzsand verwendet Bonanno gerne. Mehrere abstrakte Sandarbeiten aus der vor rund zehn Jahren entstandenen Serie «Sand Gallen» sind in der Ausstellung vertreten. Dabei hat die Kuh für einmal keinen Auftritt.

Verbindungen zu Francesco Bonannos Biographie und seiner italienischen Herkunft finden sich in seinen Arbeiten viele. So hat er Kartonrollen, auf welchen einst Teppich aufgewickelt war, zu Vitrinenobjekten umgebaut. Man könnte sie als Hommage an seine Mutter verstehen, die jahrzehntelang in einer Appenzeller Teppichfabrik gearbeitet hat. Für seine neusten Arbeiten bedruckte der Künstler ausgediente Maronisäcke. Eine ganze Kuhparade spaziert darüber und erweist den italienischen Maronibratern die Ehre.

Das Spiel mit dem Schweizer Nationaltier
Francesco Bonanno ist bestens vernetzt in der St. Galler Kulturszene, der er sich jedoch auch ein Stück weit entzieht. In früheren Jahren war er Assistent von Roman Signer und Bernard Tagwerker; gut gekannt hat er auch Hans Krüsi, der einst sein Nachbar war. Mit Hans Krüsi verbindet Francesco Bonanno nicht nur das Kuhmotiv, sondern auch die Vorliebe für Objets trouvés. Das in der Ausstellung präsente beleuchtete Holzobjekt « Tora Tora » erinnert an die «Kuhmaschine» Hans Krüsis und traditionelle Sennenstreifen. Es zeigt 74 Kühe, die den verschiedenen Jahreszeiten zugeordnet sind. Sie laufen auf einem 32 Meter langen, zwischen zwei Rollen gespannten Thermopapierband. Um die Kuhparade vorbeiziehen zu lassen, muss man daran drehen.

Obwohl die Bonanno-Kuh nicht direkt mit Folklore zu tun hat, ist dem Künstler sehr wohl bewusst, dass sein Markenzeichen das Schweizer Nationaltier par exellence ist. Er kokettiert und spielt in seinen Werken gerne damit. Ebenso wichtig sind dem Künstler kulturhistorische Bezüge: die Verehrung der Kühe in Indien, der Tanz ums goldene Kalb der Israeliten und die frühe Darstellung von Rindern in der Höhle von Lauscaux. Gleichzeitig möchte Francesco Bonanno auf die Bedeutung der Kuh als wertvolles Nutztier, welche uns Milch, Leder, Fleisch und vieles mehr liefert, aufmerksam machen.

Francesco Bonanno schafft fern ab von aktuellen Trends eigenständige Arbeiten. Es gibt bei ihm das Überbordende genauso wie das geometrisch genau Strukturierte und die Reduktion, und alles ist Teil des Gesamtkunstwerks.  Christina Genova