12.09.2025 – 11.10.2025

Figuren der Stille

Michael Tolloys Skulpturen sind Geschöpfe ganz besonderer Art. Auf der einen Seite verpflichten sie sich kunsthistorischer Tradition, auf der anderen Seite formulieren sie eine tastende, doch zielstrebig konsequente Hinwendung zu einem zeitgenössischen Menschenbild, inhaltlich, formal und technisch in der Verwendung des traditionellen skulpturalen Materials. 

Gleichermaßen konsequent fokussiert die in der Galerie Jedlitschka gezeigte Schau diesen neuen Anspruch in der Werkchronologie des in Innsbruck gebürtigen Künstlers, indem sie Skulpturen der letzten Jahre von ebenso einnehmender Ästhetik wie klar distanzierender Wirkung präsentiert. Denn Ambivalenzen dieser Art zu bündeln, stellt auch eine zentrale Vermittlungsaufgabe von Kunst heute dar.

Im Zentrum der Arbeiten von Michael Tolloy steht der Mensch, als Ganzkörperfigur, Büste, Kopfstück dargestellt, manche lebensgroß, andere leicht monumentalisiert. Alle halten den Betrachter in gebührender Distanz, statuarisch stehen sie, still schauen sie, manche wirken unnahbar, stolz, archaisch erhaben. Andere verharren in kindlich oder jugendlich unberührtem Ausdruck. Junge Frauen, feingliedrig filigran und mit zarten Gesichtszügen blicken fragend, manche leicht auffordernd, alle sind sie von ruhiger, stiller Eleganz.

Auch die Größe der Körper verweist auf Distanz, will man mehr über die dargestellten Figuren, ihren Ausdruck von Innerlichkeit und gleichgültiger Verschlossenheit erfahren. Alter und Geschlecht sind erkennbar, doch vage definiert. Details naturalistischer Abbildung werden angedeutet, aber bleiben im künstlerischen Kontext isoliert, sodass Gestik und emotionaler Ausdruck in einem schwebenden inhaltlichen Kontext und in einem weiten skulpturalen Umraum verharren, um dort eine unbestimmte zeitliche Dauer zu entfalten, die der klassischen Skulptur zu eigen ist.

Der Aspekt von Zeitlosigkeit verweist bei Tolloy sowohl auf seine Verpflichtung gegenüber der Tradition, besonders deutlich in der Verwendung des künstlerisch oft unterschätzten Materials Holz als auch auf eine inhaltlich unbestimmte Zukunftsvision. Holz sei für ihn ein „bescheidenes Arbeitsmaterial“, der „positive Kern, die Seele meiner Arbeiten“. Explizit nutzt der Tiroler die Zirbel, das Holz seiner Heimat, die Linde, ein in der Gotik und Renaissance beliebtes Material und die Zypresse mit ihrer Maserungsvielfalt. Je nach Werkgruppe betont Tolloy die Eigenschaften des Materials, lässt Rissen Zeit zu arbeiten, sich zu vertiefen, modelliert Oberflächenmaserungen mit Bergkreide, um natürliche Eigenschaften zu akzentuieren, schleift Holzflächen samtig glatt wie Marmor oder baut aus einer Mixtur naturnaher Materialien schrundige Oberflächenstrukturen auf, die natürliche Eigenarten gegossener Materialverläufe simulieren und somit den traditionellen Handwerksprozess zitieren und nobilitieren.